Traditionslinien – Alt und Neu in der Musik
Einst trat die „Neue Musik“ mit dem emphatischen Anspruch an, alles Überkommene abzustreifen und gänzlich neue Kompositionsprinzipien zu entwickeln. Angesichts mancher Übertreibung und politischer Instrumentalisierung tradierter Ausdrucksformen war dieses Verlangen speziell nach dem Zweiten Weltkrieg gut nachvollziehbar. Mit einigem zeitlichen Abstand zeigt sich jedoch, dass selbst die nüchtern konstruktiven Ideen der musikalischen Moderne aus intensiver Beschäftigung mit Traditionen erwachsen sind, etwa mit dem polyphonen Stil der franko-flämischen Schule des 15./16. Jahrhunderts.
Mag die Ausdrucksästhetik des 19. Jahrhunderts nach der Erfahrung des ungehemmten Missbrauchs musikalischer Emotionalität auch heute noch auf Ablehnung seitens der musikalischen Avantgarde stoßen, so gibt es mittlerweile doch eine sehr differenzierte Rezeption musikalischer Traditionen, sei es auf formaler oder inhaltlicher Ebene. Das vielleicht prominenteste Vorbild solcher Reflexionen mag das im Tonfall eines Requiems komponierte Violinkonzert von Alban Berg sein, das durchwirkt ist von Elementen eines Bach-Chorals, der schließlich ganz explizit zitiert wird: „Es ist genug! Herr, wenn es Dir gefällt, so spanne mich doch aus!“
Die Intensität des Aufeinandertreffens von Alt und Neu wird hier in einer Weise erlebbar, die tief bewegt. Künstler wie Bernd A. Zimmermann knüpften an solche Vorbilder an und komponierten entgegen dem „Reinheitsgebot“ einer aus Formeln abgeleiteten abstrakten Musik Werke, die bei aller Modernität wiederholt Bezug nehmen auf historische Idiome und so ein Stilgemisch riskieren. Manch Kontroverse schwelt bis heute um dieses Vorgehen.
Insgesamt aber kann man etwas pragmatisch konstatieren, dass eine Musik, die sich allen tradierten Ausdrucksmitteln versagt, in ihrem Spektrum sehr eingeschränkt bleibt - für viele Komponisten am Beginn des 21. Jahrhunderts eine unattraktive Option. Denn Tradition bietet in ihrem Facettenreichtum eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Einige dieser Inspirationen möchte das 10. Hörfest Neue Musik vorstellen und einbetten in eine kontroverse Debatte: Ist der Rückgriff auf Tradition ein Verrat an der Moderne? Ist er ein fauler Kompromiss der Anpassung an Hörgewohnheiten? Oder sind die strengen Normen der Moderne ideologischer Ballast, der abgeworfen werden sollte? Einfach wird es nicht – aber sicher interessant!
(20.9. 20.00 Uhr Bielefeld, Rudolf-Oetker-Halle: Konzert-Prolog mit den Bielefelder Philharmonikern)
Do., 3.10., 18:00 Uhr Detmold, Hangar 21: Eröffnungskonzert
Fr., 4.10., 19:30 Uhr Detmold, Hangar 21: Konzert des Ensemble "Sturm und Klang" (Brüssel) Konzertmitschnitt: WDR
Sa. 5.10., 18:00 Uhr Detmold, Hangar 21: Vom Solo bis zum Ensemble (verschiedene Konzertbeiträge)
(So. 6.10. Lemgo, Stiftung Eben-Ezer)
Link zum Flyer
Der Eintritt ist zu allen Veranstaltungen frei.
Veranstalter: Initiative Neue Musik in Ostwestfalen-Lippe e.V., Gerichtstr. 8, 32756 Detmold, Telefon: +49-5231-50 809, E-Mail: post(a)Initiative-Neue-Musik-OWL.de